Foto: Lenka Li Lilling

„Immer mehr Leute denken nachhaltig und wollen sich pflanzlich ernähren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das wieder verschwindet. Wir zumindest planen auch für die nächsten Jahre mit veganen Menüs.“

– Joshua Leise
Auch die Sterneküche kann vegan. Vor allem aber zählen neue Ideen und Kreativität. Was die jungen Macher vom Mural in München draufhaben, erzählt Küchenchef Joshua Leise im Exklusiv-Interview mit Paul M. Müller (PMM). Für Überraschungen ist gesorgt. Wir wünschen guten Appetit!

PMM: Herr Leise, Sie haben Ihre Gäste gerade mit veganer Küche überrascht. Wie kamen Sie als Sternekoch dazu?

Joshua Leise: Ich glaube, die Zeit ist reif dafür und die Nachfrage ist da. Wir hatten bislang immer ein „normales“ Menü sowie ein daran angelehntes vegetarisches Menü auf der Karte. Jetzt bieten wir zwei komplett unterschiedliche Menüs, bei denen sich nichts überschneidet, höchstens mal bei den Produkten, aber nicht bei den Komponenten oder in der Zubereitungsart.

Was kosten die Menüs?

Wir bieten das vegane 7-Gang-Menü für 155 Euro an, also zum selben Preis wie das normale 6-Gang-Menü ohne Kaviar-Gang.

Kann man als Sternekoch eigentlich auf Hummer, Steinbutt oder Bressehuhn verzichten?

Ja, absolut, das ist eine schöne Herausforderung. Aber genau dadurch wird unsere Küche einzigartig. Sie lebt davon, dass wir genau auf diese Produkte verzichten, weil man sie überall auf der Welt bekommt, meist sogar ähnlich zubereitet. Bei uns gibt es andere tolle Produkte, die man aber erst mal finden muss. Dann jedoch macht es viel Spaß, den Gästen zu zeigen, was man beispielsweise aus einer Renke herausholen kann. Viele Leute essen diesen Fisch nicht sehr oft, und ich finde es spannend, damit einen Überraschungseffekt zu erzielen. Wer noch nie eine Renke probiert hat, und das Gericht gut findet, der merkt sich das auch.

Woher kommen die Produkte, nach welchen Kriterien suchen Sie die Lieferanten aus?

Der Austausch mit den Lieferanten ist sehr wichtig. Sie müssen Lust darauf haben, eng mit uns zusammenzuarbeiten. Dann ist es schön, gemeinsam vorauszuplanen oder etwas Bestimmtes für uns vorbereiten zu lassen. Im Januar haben wir uns mit einem Bauern zusammengesetzt und einen Plan für das ganze Jahr gemacht, damit er weiß, was wann für uns produziert werden muss und in welchen Mengen. Ansonsten ist das Hauptkriterium natürlich Qualität. Wir vergleichen immer: Wo ist die Forelle besser, aus dem See oder aus einer Zucht?

Welche Rolle spielt die Null-Kilometer-Küche?

Wir fokussieren uns nicht komplett darauf, aber das, was auf den Teller kommt, sollte widerspiegeln, was die Region zu bieten hat. Wir ziehen jedoch keine Grenze, indem wir sagen, je näher, desto besser. Es kann gut sein, dass wir 20 Kilometer weiter ein qualitativ hochwertigeres Produkt finden.

Sind Sie viel selbst unterwegs?

Ja schon, sowohl bei den Produzenten, mit denen wir zusammenarbeiten, als auch bei neuen Partnern.

Welches sind die Bestseller auf der Karte?

Wir wechseln das Menü regelmäßig. Nicht alle Gänge auf einmal, aber nach acht Wochen ist alles ausgetauscht. Es gibt kein Gericht zweimal, bei den Produkten jedoch gibt es Wiederholungstäter. Der Saibling gehört dazu, weil man ihn über einen langen Zeitraum im Jahr sehr gut beziehen kann. Ich liebe diesen Fisch. Im Winter haben wir meist auch Zander. Ich arbeite gerne mit Süßwasserfisch – damit setzt man Akzente, denn das machen nicht viele. Zur Renkenzeit gibt es Renken. Wir haben fast mehr Fischgerichte als Fleischgerichte auf der Karte. Im Sommer bringen wir auch wieder mehr vegetarische Komponenten ins „normale“ Menü. Es gibt aber kein Signature Dish, das immer auf der Karte bleiben muss.

Erdbeeren im Winter…

Nein. Nur die, die wir im Sommer selber eingelegt haben.

Aha, das Weckglas spielt durchaus eine Rolle…

Im Winter ist die Produktpalette nicht so groß, dann ist es von Vorteil, wenn man im Sommer einiges eingelegt hat. Erdbeeren, zum Beispiel, oder Auberginen, Tomaten und Paprika.

Kommen wir noch einmal auf die plant-based-Küche zurück. Ist das nur ein Trend?

Wir merken schon, dass es mehr als nur ein Trend ist. Immer mehr Leute denken nachhaltig und wollen sich pflanzlich ernähren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das wieder verschwindet. Wir zumindest planen auch für die nächsten Jahre mit veganen Menüs.

Im Dezember überraschte das Mural mit einem 89-Euro-„Wumms”-Menü. Es folgt ein veganes Menü. Gibt es schon wieder neue Ideen?

Ja, ein Flower-Power-Menü im Rahmen des Flower-Power-Festivals in München. Vier Termine ab März stehen schon fest, zu denen wir ein Blumen-Menü anbieten und dazu eine Führung durch das Muca-Museum, in dem wir untergebracht sind. Was mir aber auch sehr viel Spaß bereitet, sind Winzer-Abende oder Wein-Dinner, bei denen wir passend zum Wein kochen und nicht umgekehrt – also wenn der Wein zum Essen ausgesucht wird. Bei diesem Konzept stehen die Weine fest und wir überlegen uns ein Gericht dazu. Das findet sehr viel Resonanz. Und es regt die Kreativität einmal anders an.

Woher kommen sonst noch Inspirationen?

Häufig von den Produzenten und von den Produkten selbst. In unserer Küche soll das Produkt so unverfälscht wie möglich auf den Teller kommen. Die Frage also ist, wie bereite ich es zu, damit es nach dem schmeckt, was es ist? Oder aber: Wie lässt sich der Geschmack intensivieren, ohne dass er von einer anderen Zutat überdeckt wird? Es kommt auch vor, dass ein Landwirt eine bestimmte Gemüsesorte aufzieht und mich fragt, ob ich damit etwas anfangen kann. Inspiration kann wirklich vom Imbiss-Stand oder auch vom Feld direkt kommen. Wir hatten z.B. mal ein Köfte-Sandwich im Menü, allerdings mit Zicklein-Fleisch von einem kleinen Bauern aus der Region.

Wie günstig kann man als Sternekoch kochen? Gibt es eventuell auch noch ein Studenten-Menü für 69 Euro?

Ich glaube, mit 89 Euro sind wir jetzt schon an der Grenze des Kalkulierbaren angekommen. Bei diesem Preis kann natürlich kein Kaviar geboten werden. Man darf aber nicht nur die Produktkosten, sondern muss auch die Mitarbeiter-Gehälter und die laufenden Kosten berücksichtigen. Beim 89-Euro-Menü haben wir uns schon ganz genau gefragt, wie weit wir gehen können, ohne ein Minus zu machen. Trotzdem wollten wir auch jenen Gästen ein Angebot machen, die ein 4-Gang-Menü möchten, es sich anders jedoch nicht leisten können. Das ist machbar, wenn man auf bestimmte Luxusprodukte verzichtet. Eine Forelle ist nicht sehr teuer, aber ein super Fisch und man kann viel aus ihr herausholen. Daher gibt es eher die Forelle als den Räucher-Aal, der das Fünffache kostet.

Bieten Sie das 4-Gang-Wumms-Menü weiter an?

Ja, da ist erst mal kein Ende geplant… Immer Dienstag bis Donnerstag, allerdings begrenzt auf zehn Plätze am Abend.

Nach dem veganen Menü kommt das Flower-Power-Menü. Was genau steckt drin?

Dieses Menü entstand gemeinsam mit dem Muca Museum. Das ist noch eine kleine Überraschung. Wir haben ein 4-Gang-Menü kreiert inklusive Apero, Weinbegleitung und Amues Bouches… Das Komplett-Paket für 230 Euro beinhaltet auch eine Führung durch das Museum mit Steffi Utz, der Inhaberin. Vier Termine stehen im Rahmen dieses Münchener Festivals schon fest, ab März, jeweils an einem Tag im Monat.

Wir sind sehr gespannt und bedanken uns für das Gespräch.

Zur Person: Joshua Leise – rasantes Sterneleben

Joshua Leise (geboren 1995) ist ein Münchener Gewächs durch und durch. Der Küchenchef vom Mural liebt Bayern und sagt: „Erst mal zieht mich nichts weg, ich habe hier alles.“ Nach dem Abitur 2014 ging er zunächst hoch in den Norden und absolvierte eine Ausbildung im Söl’ring Hof auf Sylt (bis 2017) bei Johannes King und Jan-Philipp Berner. Dann die Rückreise ins Atelier München von Jan Hartwig (bis 2018). Nach diesem Zwischenstopp trat Leise schließlich ab September 2018 als Küchenchef im Mural an. Die Auszeichnungen folgten Schlag auf Schlag: Seit 2020 ein Michelin- Stern (zu diesem Zeitpunkt mit 24 Jahren jüngster Sternekoch in Deutschland), 2020 gleichzeitig Young Chef Award vom Guide Michelin sowie Auszeichnung Junges Talent Gault Millau.

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