PMM
Herr Zinner, Sie sind Gastroprofi und Branchenkenner. Worin sehen Sie die größten Herausforderungen in diesem Jahr? Welche Lösungen könnte es geben?
Ferdinand Zinner
Wenn ich mich mit Kollegen aus meiner Gastronomen-Generation unterhalte, stelle ich fest, dass wir alle mit den gleichen Problemen und Herausforderungen kämpfen, die sowohl zeitintensiv als auch bürokratisch sind. Viele davon sind hausgemacht, man könnte sie vermeiden, wenn man sich ein bisschen entbürokratisieren würde. Dabei geht es um Themen wie Zoll, Mitarbeiter, Hygiene, Kennzeichnung von Allergenen usw. … Man steht schon fast mit einem Fuß im Gefängnis, wenn man dem Gast auch nur eine Spur von Nüssen serviert.
Ich habe das Gefühl, dass einfaches Handwerk und kleine Betriebe zu sehr mit den großen Playern gleichgesetzt werden. Es fehlt die Verhältnismäßigkeit.
Was ist Ihre Strategie dagegen, worauf kommt es an?
Für uns als kleiner Betrieb ist es besonders wichtig, am Ball zu bleiben und sich immer wieder neu zu erfinden auch in zusätzlichen Bereichen. Es reicht nicht mehr zu sagen, wenn das Essen schmeckt, dann passt alles. Auch als Restaurant muss man definitiv mehr bieten: Z.B sich um Social Media kümmern, um eine vernünftige Einrichtung, um ein gutes Lichtkonzept und vieles mehr… Es ist nicht mehr so simpel wie früher, auch wenn die Qualität weiterhin stimmt. Corona hat uns gezeigt, dass man weitergehen, sich verändern muss. Vor allem muss man sich auch absetzen durch Einzigartigkeit und Qualität – und zwar jeden Tag.
Welchen Weg gehen die Zinners? Ist das Außerhaus-Geschäft noch so stark?
Kochboxen sind zu Weihnachten nach wie vor gut gelaufen, wenn auch nicht mehr ganz so gut wie in den Corona-Jahren zuvor. Aber das wird sich fortsetzen, denke ich. Die Leute möchten weiter Essen zum Mitnehmen. Auch Online-Kochkurse kommen gut an. Da haben wir viel Erfahrung gesammelt und konnten uns verbessern. Trotzdem: Natürlich lieben die Konsumenten jetzt auch wieder Präsenzveranstaltungen.
Wir hatten ein supergutes Außerhaus-Geschäft, derzeit konzentrieren wir uns aber wieder mehr auf Inhouse-Veranstaltungen. Es gab wahnsinnig viele Firmen-Weihnachtsfeiern. Offenbar haben Unternehmen nach wie vor Geld verdient, und vieles wurde jetzt nachgeholt. Wir hatten noch nie einen so starken August wie 2022, weil jeder seinen Geburtstag nachfeiern wollte. Verändert hat sich jedoch die Art der Anfragen, egal ob privat oder geschäftlich. Alles läuft viel kurzfristiger. Ich denke dabei nicht an zwölf Personen, die zum Essen gehen wollen, sondern an Events mit 300 bis 400 Leuten.
Ist damit ein neues Arbeiten verbunden, wird sich das in diesem Jahr fortsetzen?
Wir als Dienstleister und alle, die uns zuarbeiten, haben uns mittlerweile auf ein neues Tempo eingestellt. Zu Spitzenzeiten wird man versuchen, alles mitzunehmen, weil man nicht voraussagen kann, was als Nächstes passiert. Wir werden auf jeden Fall weiter leisten und auf Anfragen reagieren, auch wenn sie umfangreicher und kurzfristiger sind.
Da dürfte das Thema Convenience wichtiger denn je werden? Also das Handling und die Schnelligkeit der Mitarbeiter, in der Küche, bei der Beschaffung …
Ich bin ein Riesenfan davon. Vor 15 Jahren noch wurde Convenience mit Geschmacksverstärkern verbunden oder die Herkunft war nicht nachweisbar. Viele Leute denken dabei immer noch an Fertigsuppen. Aber das ist heute definitiv vorbei. Wir haben beispielsweise zwei tolle Dienstleister, denen wir eigene Rezepte gegeben haben, nach denen ausschließlich für uns gekocht wird. Die arbeiten mit anderen Schichteinteilungen, operieren mit größeren Absatzmengen und können unsere Wünsche super umsetzen. Wir bestellen dort fertige Gerichte, die wir vorher genau abgestimmt haben.
Am Ende ist Convenience ja auch eine geschnittene Paprika und ich bin sehr froh, dass es mittlerweile immer mehr Anbieter gibt, die auf diesem Sektor gute Produkte anbieten. Darauf greifen wir oft und gerne zurück. Ich habe übrigens auch kein Problem damit, das zu kommunizieren, wenn mich jemand konkret danach fragt.
Auf welche Zielgruppen haben Sie sich spezialisiert? Die Zinners waren immer stark im Bereich Schulverpflegung, Mensa, Kindergarten …
Wir haben ein bisschen umgestellt und nehmen derzeit vorwiegend Aufträge im Catering-Bereich mit einem Mindest-Foodumsatz von 1500 Euro an. Das macht für uns Sinn, da wir zunehmend Kunden in dieser Größenordnung haben. Der Schulbereich wird leider derzeit immer unattraktiver. Dort gibt es überhaupt keine Bereitschaft, mehr Geld zu bezahlen: Weder im Kiosk noch im Mensa-Bereich. Mit 5 Euro für eine Mahlzeit sind wir hier wirklich an der Grenze, trotzdem werden die Ansprüche immer größer. Es wird zwar laut für Bio und regional getrommelt, aber das ist mit diesem geringen Budget nicht umzusetzen – und erst recht bei dem dafür anfallenden Personalaufwand.
In zahlreichen Gesprächen mit Eltern- oder Schüler-Vertretern geht es genau darum: Um die Versorgung am Schulkiosk und um die Ansicht, dass das Angebot zu teuer sei. Im Verhältnis liegen wir aber immer noch 50 bis 60 % unter dem, was bei einem normalen Bäcker berechnet wird. Dort sind wir für ein Frühstück mit belegter Semmel, Saft und Kaffee schnell bei 11 Euro oder mehr. Im Kiosk darf ein Kind aber maximal 1,30 bis 1,80 Euro ausgeben, soll aber dafür voll versorgt werden. Die Rechnung geht nicht auf.
Wie passt das in die aktuelle Diskussion des deutschen Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir, der eine gesündere Verpflegung auf dem Schulhof fordert?
Wir haben jetzt zum ersten Mal eine Ausschreibung bekommen, in der die Stadt München vorschreibt, ab 2025 bei Verpflegung an Schulen und Kindergärten nur noch Bio-Produkte einzusetzen. Grundsätzlich finde ich den Ansatz super, ich glaube aber, es geht nur über den Weg, den Herr Özdemir bereits beschreibt: Dass man die Produktauswahl beschränken wird. Wir werden uns von den zwei Menüs – Veggi und Fleisch – verabschieden und uns einschränken müssen. So gibt es in der Woche wirklich nur einmal Fleisch und einmal Fisch. Das reicht ja auch. Wir wären jedenfalls dabei.
Wir bedanken uns für das aufschlussreiche Gespräch.