PMM: Frau Uschkoreit, seit 2022 gehören Sie zur französischen Veolia Gruppe. Wie geht es Ihnen nach der Integration?
Die Integration von BellandVision in den Veolia-Konzern war eine spannende und für alle Beteiligten sehr intensive Zeit, die wir zusammen mit unseren neuen Veolia-Kolleg:innen gemeistert haben. Die Zusammenarbeit läuft bisher gut und wir sprechen die gleiche „Recyclingsprache“. Von Beginn an konnten wir vielversprechende Recyclingprojekte gemeinsamen anstoßen und BellandVision hat sich auch unter neuer Konzernmutter weiterhin als Marktführer unter den dualen Systemen behauptet.
PMM: Was hat sich geändert?
Man hat für das tägliche Doing viele neue Ansprechpartner:innen und es mussten neue Abläufe geschaffen werden. Für unsere Kund:innen hat sich indes nichts geändert. Unsere Mitarbeiter:innen stehen in gewohnter Manier Rede und Antwort bei allen Fragen rund um die Beteiligung von Verpackungen am dualen System.
PMM: Deutschland war 1992 mit der Einführung des Grünen Punktes Vorreiter bei der Mülltrennung, Sammlung und Verwertung – ist das heute nach 32 Jahren immer noch so?
Deutschland hat Anfang der 90er-Jahre als erstes Land überhaupt die erweiterte Herstellerverantwortung für Verpackungen eingeführt. Seitdem müssen Hersteller dafür sorgen, dass die von ihnen auf den Markt gebrachten Verpackungen gemäß den gesetzlichen Vorgaben gesammelt, sortiert und verwertet werden. Und da nicht jeder Hersteller ein eigenes Sammelgefäß vor jedem Haushalt aufstellen kann, gibt es die dualen Systeme, die diese Aufgaben übernehmen.
In den letzten 30 Jahren hat sich das duale System, aber auch die gesamte Sortier- und Verwertungsinfrastruktur hierzulande, kontinuierlich weiterentwickelt und wir sind in der Lage mit die höchsten Recyclingquoten in Europa für eine Vielzahl an Verpackungsmaterialien zu erreichen. Wir bekommen auch immer wieder Beratungsanfragen von Meinungsführern aus dem Ausland, die versuchen, unser Erfolgsmodell in seiner Komplexität zu verstehen und auf deren nationale Strukturen zu übertragen.
PMM: Das Verpackungsgesetz ist seit 2019 in Kraft: Was sind die Lehren daraus?
Nach fast 30 Jahren Verpackungsverordnung war es höchste Zeit, das Verpackungsrecycling in Deutschland auf einen höheren Standard zu hieven. Die höheren Recyclingquoten wirkten für die komplette Entsorgungs- und Recyclingindustrie als eine Art Katalysator und es wurden erhebliche Investitionen in die Infrastruktur getätigt. Das war auch notwendig, um die ambitionierten Recyclingquoten erreichen zu können. Was ich jedoch zu bedenken gebe: Es kann nicht sein, dass einerseits von den dualen Systemen Recyclingquoten von 90 Prozent gefordert werden, die Arbeit aber andererseits von neuen Gesetzgebungen konterkariert wird. Durch die Ausweitung der Pfandpflicht wurden beispielsweise qualitativ hochwertige Verpackungen aus dem Mengenstrom der dualen Systeme entzogen, was die Erreichung der Recyclingquoten erheblich erschwert.
PMM: Was hat sich verbessert?
Durch die höheren Recyclingquoten können seit Inkrafttreten noch mehr Ressourcen eingespart und auch der CO2-Ausstoß noch mehr als zuvor reduziert werden. So sparen wir in Deutschland mit dem Verpackungsrecycling jährlich fast 2 Mio. Tonnen CO2 ein und produzieren aus den gebrauchten Verpackungen rund 4 Mio. Tonnen Sekundärrohstoffe, die wiederum für neuen Verpackungen oder Produkte eingesetzt werden können. Ein weiterer Vorteil besteht in der höheren Markttransparenz. Durch die Einführung der Kontrollbehörde Zentrale Stelle Verpackungsregister hat sich die Anzahl an Herstellern, die sich am dualen System beteiligen, signifikant erhöht und es wurden gute Voraussetzungen für einen faireren Wettbewerb geschaffen – auch auf Seiten der dualen Systeme.
PMM: Was machen andere Länder besser?
Ich bin davon überzeugt, dass ein Wettbewerbssystem, wie wir es hier in Deutschland haben, für die Erfüllung der Herstellerverantwortung das effektivste und effizienteste Marktmodell ist. Die aktuelle Formulierung von §21 VerpackG zeigt aber auch, dass Anreizsetzungen für ökologisch sinnvolle Verpackungen einen „Workaround“ benötigen, um die gewünschte Lenkungswirkung zu erzielen. Deshalb haben wir dualen Systeme ein gemeinsames Modell in Form eines vom Wettbewerb entkoppelten Recyclingfonds erarbeitet, der einerseits die Vorteile des Wettbewerbs impliziert und andererseits aber auch eine Anreizsetzung, z. B. für recyclingfähige Verpackungen, im Wettbewerb ermöglicht. Demnach sollen Hersteller von Verpackungen, die nicht recyclingfähig sind, zusätzlich zum Lizenzentgelt einen Beitrag in den Recyclingfonds einzahlen müssen. Wie von der aktuellen Bundesregierung im Rahmen einer kleinen Anfrage bestätigt, wird dieses Anreizmodell bei der Novellierung von §21 eine zentrale Rolle spielen.
PMM: Wo stehen wir in zehn Jahren beim Thema Verpackung?
Mit der Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR) wird aktuell an einem für die EU einheitlichen Recyclingstandard gearbeitet, der unser aller Arbeit in den nächsten 10 Jahren beeinflussen wird. Deshalb sehe ich in meiner Glaskugel nur noch Verpackungen, die recyclingfähig sind oder die Recyclingmaterialien enthalten.
PMM: Was wird die größte Herausforderung der dualen Systeme in diesem Jahr werden?
Das Verpackungsgesetz war 2019 für die gesamte Branche ein großer Umbruch. Im Vergleich dazu sind aber die geplanten Änderungen, die der aktuelle Entwurf zur EU-Verpackungsverordnung vorsieht, deutlich tiefgreifender. Insbesondere in den Bereichen Recyclingfähigkeit, Rezyklateinsatz und Nachweispflichten werden alle Marktakteure in den kommenden Jahren vor große Herausforderungen gestellt. Das Timing der sogenannten delegierten Rechtsakte, die die einzelnen Vorgaben aus der Verordnung weiter konkretisieren und die erst im Nachgang der Veröffentlichung beschlossen werden, verschärfen dabei den Druck auf die Marktakteure. Wir sind aber davon überzeugt, dass wir für diese Herausforderungen gut aufgestellt sind und diese zusammen mit unseren Kunden meistern werden.
PMM: Was sind die Trends der Zukunft?
Aktuelle Trends sind definitiv Design4Recycling und Rezyklateinsatz. Wenn man einen Blick in den aktuellen Entwurf der PPWR wirft, wird schnell deutlich, dass die beiden Themen für Hersteller in Zukunft essenziell werden könnten, wenn man verpackte Produkte in der EU auf den Markt bringen möchte.
PMM: Wie steht es mit der Verfügbarkeit von Rezyklat, wenn das europäische Gesetz kommt?
Der aktuelle Gesetzesentwurf sieht vor, dass Kunststoffverpackungen, abhängig von der Anwendung, ab 2030 mindestens 10 bis 35 Prozent Rezyklat enthalten müssen. Unsere Kunden haben das Glück, dass wir mit starken Partnern im Rücken auf die größten Recyclingkapazitäten für Kunststoffe zurückgreifen können.
PMM: Warum gibt es bei Weißblech so große Kostenunterschiede bei dem Land Österreich zu Deutschland?
Grundsätzlich ist es schwierig, zwei grundlegend unterschiedliche Systeme miteinander zu vergleichen. Denn der Preisunterschied für die Beteiligung von Metallverpackungen an den nationalen Systemen ist u. a. auf unterschiedlich hohe Recyclingziele in beiden Ländern zurückzuführen. Während in Österreich lediglich 50 Prozent der Metallverpackungen werkstofflich verwertet werden müssen, sind es in Deutschland 90 Prozent. Die höheren Recyclingziele haben einerseits höhere Anstrengungen bei der Sammlung und der Verwertung zur Folge, was sich andererseits auch in den Kosten niederschlägt. Mit Blick auf die positiven Umweltauswirkungen des Verpackungsrecyclings in Deutschland und die hohe Recyclingfähigkeit von Metallverpackungen, ist das meines Erachtens eine sich lohnende Investition.
PMM: Wie entwickeln sich die Kosten für die Entsorgung von Weißblech in Zukunft?
Das hängt, wie bei den anderen Verpackungsmaterialien auch, von den unterschiedlichsten Faktoren ab, wie z. B. der Entwicklung der Logistik- und Sortierkosten oder aber auch der zukünftigen Vermarktungserlöse für die Sekundärrohstoffe. Beim Blick auf die aktuellen Recyclingquoten für Metallverpackungen in Deutschland ist nur gewiss, dass wir hier nicht mehr viel Spielraum nach oben haben.
Wir bedanken uns für das Gespräch.
Zur Person:
Diana Uschkoreit ist seit 1. Juli 2020 Geschäftsführerin bei BellandVision. Sie folgte seinerzeit auf Thomas Mehl, der in den Ruhestand ging. Diana Uschkoreit ist in der Branche bekannt und gilt als fachkompetente Persönlichkeit. Bevor sie ihr Amt als Geschäftsführerin antrat, war sie bei BellandVision als Vertriebsleiterin und Prokuristin tätig.