PMM: Sie sind Experte auf dem tschechischen Markt. Was können Sie uns darüber verraten?
Der tschechische Markt ist sehr preisaggressiv. Tschechische Verbraucher*innen neigen dazu, viele Produkte während Rabatt-Aktionen zu kaufen, insbesondere solche mit längerer Haltbarkeit, die sich gut zu Hause lagern lassen. 80 Prozent aus dem Gesamtverkauf sind Kampagnen oder Sonderangebote. In bestimmten Sortimenten können die Preise 25 bis 33 Prozent fallen. Während deutsche Discounter wie Lidl oder Aldi ihre Preise nur geringfügig senken – etwa von 1 Euro auf 95 oder 93 Cent – sind die Preisunterschiede bei uns während Rabatt-Aktionen deutlich ausgeprägter.
PMM: Wer dominiert den Markt?
Ein großer Teil des Marktes wird von Discountern dominiert, wobei Lidl, Penny und Norma die drei wichtigsten Akteure sind. Kaufland, den ich als Hypermarkt und Discounter einordne, und Tesco haben ebenfalls einen signifikanten Marktanteil. Im Supermarktsegment sind Billa und Albert, die zur niederländischen Albert Heijn Gruppe gehören, bedeutende Player.
PMM: Wenn wir die Produktpalette von Paul M. Müller betrachten: Welche Lebensmittel erfreuen sich bei tschechischen Kund*innen besonders großer Beliebtheit?
Bei uns erfreuen sich die Obstkonserven großer Beliebtheit, insbesondere in formatierten Varianten. Diese sind besonders für die Gemeinschaftsverpflegung in Großküchen, Kantinen und Schulen geeignet. Viele Kund*innen schätzen es, wenn die Obstkonserven bereits in Würfeln angeboten werden, da dadurch der Aufwand entfällt, die Früchte selbst schneiden oder vorbereiten zu müssen. In Schulen erhalten die Kinder beispielsweise einfach eine Schale mit Birnen- oder Pfirsichwürfeln. Darüber hinaus sind auch die Produkte aus unserem Tomatenprogramm sehr gefragt. Sie stellen eine wichtige Grundlage für viele Gerichte dar. In Tschechien sind insbesondere Rindfleisch mit Tomatensauce und Tomatensuppe beliebt – und Köche und Köchinnen nutzen unsere Produkte dafür. Übrigens: In die Gastronomie liefern wir etwas weniger Ware, da dieser Markt etwas anders strukturiert ist. Die italienische Gastronomie bezieht oft direkt Lieferungen aus Italien, was es uns erschwert, in diesen Bereich einzutreten.
PMM: Was sind die größten Herausforderungen auf dem Markt in Tschechien?
Preiskompetitiv zu bleiben, ist sehr schwierig, da die tschechischen Handelsfirmen die Ware überall und teilweise sehr günstig einkaufen. Ein Nachteil für uns ist, dass der tschechische Markt relativ offen gegenüber kleinen Qualitätsmängeln ist. Wenn beispielsweise ein Produkt bereits 70-80 Prozent seiner Haltbarkeit verloren hat, können wir es dennoch relativ leicht vermarkten. In anderen europäischen Märkten ist das sicher anders.
PMM: Könnten Sie uns bitte einen Einblick in die Essgewohnheiten der Tschech*innen geben?
Man muss hier unterscheiden: Früher war es üblich, dass Familien oft gemeinsam zum Essen in Restaurants gegangen sind. In den vergangenen zwei bis vier Jahren sind die Preise jedoch stark gestiegen – für viele Familien ist es zu teuer, regelmäßig essen zu gehen. Dennoch essen viele Tschech*innen mittags in Restaurants, wobei die Preisgestaltung hier anders ist. Oft werden Menüs angeboten, bei denen die Suppe im Preis inbegriffen ist, oder es gibt drei bis vier ausgewählte Mittagsgerichte. Diese Angebote sind vor allem von Montag bis Freitag in der Innenstadt von Budweis sehr beliebt und für viele noch erschwinglich. Generell sind die Restaurants im Stadtzentrum von Budweis relativ gut besucht, insbesondere in den Lokalen, wo Bier gezapft wird und eine lebendige Atmosphäre herrscht.
PMM: Können Sie uns von weiteren Besonderheiten aus Tschechien berichten?
Wir haben uns an deutschen Standards orientiert und arbeiten derzeit an neuen Richtlinien für die Schulverpflegung. In den letzten 30 Jahren hat sich in diesem Bereich wenig verändert, doch nun gibt es eine Bewegung hin zu neuen Richtlinien. Ein zentrales Thema ist die Berücksichtigung von speziellen diätetischen Bedürfnissen, wie glutenfreien oder laktosefreien Optionen, um auch Kindern mit Intoleranzen gerecht zu werden. Es ist wichtig, dass wir klare Vorgaben dafür entwickeln, wie für Kinder und Schüler*innen gekocht werden sollte. Dabei sollten wir auf Aspekte wie reduzierten Salz-, Zucker- und Fettgehalt achten und uns stärker auf qualitative Nährwerte konzentrieren. Auch die Nährwerttabellen müssen in die Überlegungen einfließen, damit die Schüler*innen und auch ihre Eltern wissen, was sie essen. Zusätzlich sollten wir den Fokus auf mehr Vollkornprodukte, Obst und Gemüse sowie regionale Speisen legen und den Einsatz von Kunststoffverpackungen reduzieren. Gleichzeitig ist es wichtig, dass die Preise für die Familien, insbesondere für solche mit niedrigem Einkommen, weiterhin akzeptabel bleiben. Ein weiterer Aspekt ist die Digitalisierung des Bestellprozesses. An der katholischen Schule meiner Kinder im Stadtzentrum von Budweis können sie aus drei Gerichten wählen: einem klassisch herzhaften Gericht sowie einer leichteren Option oder einer Süßspeise. Diese Auswahl können die Kinder über eine App selbst steuern, was eine qualitative Kontrolle und Flexibilität bietet.
PMM: Beeinflusst das auch Ihre Tätigkeit?
Wir müssen darauf achten, dass unsere Produkte nicht zu viel Zucker enthalten und möglicherweise auch größere Verpackungen in Betracht ziehen. Beispielsweise könnten die Kinder Apfelmus in Schalen erhalten, anstatt in Plastikbechern. Insgesamt sind diese Ziele und Richtlinien Teil eines umfassenden Bemühens um Nachhaltigkeit, die in vielen Bereichen zunehmend an Bedeutung gewinnt.
PMM: Was schätzen Sie besonders an den Produkten von Paul M. Müller?
Die Qualität ist entscheidend. Unsere Reklamationsrate liegt wahrscheinlich nicht bei null, aber sie ist sehr nah dran. Wir haben keinerlei Bedenken, dass wir minderwertige Ware erhalten oder dass etwas schiefgeht. Wenn es trotzdem zu qualitativen Mängeln kommt, wird das kommuniziert und eine Lösung gefunden. Darüber hinaus schätzen wir den Service, insbesondere die Kommunikation bezüglich Spezifikationen, Mustersendungen und Marktübersichten. Das Niveau, das wir hier erleben, ist durchweg sehr gut.
PMM: Gibt es Produkte, die Ihre Kund*innen von Paul M. Müller gerne im Sortiment sehen würden?
Ja, insbesondere im Bereich der Obstkonserven sehen wir Potenzial. Es ist jedoch eine Herausforderung, europäische Obstsorten zu beschaffen. Beispielsweise war es äußerst schwierig, Kirschen zu bekommen, da die Verfügbarkeit sehr volatil ist – manchmal gibt es zu viele, manchmal gar keine. Bei asiatischen Produkten sehen wir ebenfalls Probleme, da die Verfügbarkeit unsicher ist und die Preise oft stark ansteigen können. Außerdem könnte ein Produkt, das kleinere Mängel aufweist, durchaus attraktiv sein, insbesondere wenn es zu einem günstigeren Preis angeboten wird. Dadurch können wir leichter mit unseren Mitbewerbern konkurrieren.
Zur Person – Stanislav Štádler
Stanislav Štádler ist Vater von drei Kindern und lebt in Budweis. Nach dem Studium an der Handelsakademie in Budweis arbeitete er mehrere Jahre in verschiedenen Berufen – in einem Hotel, in einem Informationszentrum für Tourismus und im Handel mit medizinischen Geräten. Ab 1995 war er Verkaufsleiter bei der Firma EFKO, einem österreichischen Produzenten von Sauergemüse. Anschließend war er Geschäftsführer bei Machland, einer Tochterfirma von EFKO. 2008 gründete er seine eigene Firma Keystone Value.